Die Lage des Stationären Handels: Ein Streitgespräch

Die Lage des Stationären Handels: Ein Streitgespräch


Wenn zwei Schwergewichte des Handels für eine Zeitschrift in den Ring steigen, dann lohnt es sich immer genauer hinzusehen. So geschehen in einem begleitenden Beitrag zum Thema Der stationäre Handel der April Ausgabe des Wirtschaftsmagazins „Brand Eins“.

Ist der stationäre Handel noch zu retten?

Geklärt werden sollte die Frage, ob es für den stationären Handel noch eine Überlebenschance gegenüber den übermächtigen Onlinern gibt, oder ob bereits alles zu spät ist. In dieser Diskussion stellen die beiden Teilnehmer entgegengesetzte Pole dar. In einem sehr aufschlussreichen Schlagabtausch finden beide zwar gemeinsame Standpunkt, bleiben jedoch in der Sachen selbst ihrem eigenen Standpunkt treu.

Gerrit Heinemann: Ja.

So beantwortet der Hochschul-Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule Niederrhein und Leiter des dortigen eWeb Research Centers die Eingangsfrage, ob der stationäre Handel in Deutschland eine Zukunft hat.

Die Begründung seiner Antwort stützt er insbesondere auf den Sinneswandel in den Handelsverbänden. Hätten diese noch vor zwei Jahren über das Internet von einem Trend gesprochen, habe vor allem der HDE einen Sinneswandel vollzogen und würde nun aktiv.

Des Weiteren sieht Prof. Heinemann auch gute Vorzeichen aus Amerika, wo einige ganz große Brick’n’Mortar Player den Wandel geschafft haben und nun zu den ganz großen Online-Händler gehören, die Amazon Paroli bieten könnten. Als Beispiel führt er Macy’s erfolgreiches Click&Collect Konzept an.

Das Argument, dass dem klassischen Handel die Onlinekompetenz fehle, lässt er nicht gelten. Neckermann habe seinen durchaus ordentlichen Online-Shop bereits 1995 gegründet, nur ein Jahr nach Amazon. Und die Gründe des Untergangs von Neckermann seien bereits vor der Online-Strategie gelegt worden.

Deswegen sieht Herr Heinemann die Chance für den klassischen Handel in der Optimierung des gleichen. Der sehr gute Stand von stationären Händlern in deutschen Großstädten, in die nun immer mehr Menschen ziehen, versetze den Handel in eine gute Position um durch Optimierungen des Einkaufserlebnisses mit den großen Online-Händlern zu konkurrieren.

Jochen Krisch: Nein.

Auch der selbstständige Branchenanalyst, Berater und Experte für E-Commerce Jochen Krisch hat eine eindeutige Antwort zu der Eingangsfrage, und zwar die völlig gegenteilige von Herrn Heinemann.

Herr Krisch spricht dem klassischen Handel die Kompetenz ab, eine erfolgreiche Strategie gegen Amazon entwickeln zu können. Er sagt, die fehlende Online-Kompetenz spiegele sich schon darin wieder, dass sich heute der Handel fragt, wie er das Internet für sich nutzen kann. Eine Frage, die für Herrn Krisch 10 bis 15 Jahre zu spät kommt.

Die Positiv-Beispiele aus den USA sieht er auch in Deutschland gar nicht bestätigt. Vielmehr sieht er Parallelen bei der Transformation des Versandhandels zum Online-Geschäft, an der dieser gescheitert ist. Insgesamt hält Herr Krisch eine Transformation für den falschen Weg, da der deutsche Handel keine fünf bis zehn Jahre Zeit mehr habe, wie die genannten Beispiele aus den USA.

Jochen Krisch geht sogar noch einen Schritt weiter und spricht dem klassischen Handel jegliche Möglichkeit ab, Onlinekompetenz zu erwerben. Maximal den großen deutschen Handelsketten gesteht er die finanziellen Mittel zu, sich entsprechende Kompetenz einzukaufen. Für den Mittelstand dagegen zeichnet er ein düsteres Bild.

Ähnlich sieht er es mit dem Handel in den Städten. Die großen Händler in den Metropolen werden noch eine Chance haben, auf den Umbruch durch das Internet zu reagieren, doch die mittelständischen bis kleineren Händler, die am Stadtrand oder im Dorf sind, haben diese Chance nicht mehr.

Wie viel Zeit bleibt noch?

Während für Herrn Heinemann ein Ultimatum von zwei Jahren gilt, ist Herr Krisch hier auch wieder rigoroser:

Ich fürchte, es ist zu spät. Die Welt ist ungerecht. Auch die Handelswelt.

Das gesamte Gespräch kann auf der Seite von Brand Eins nachgelesen werden.

Wie sehen Sie die Zukunft des Handels? Oder sehen Sie eher wie Herr Krisch den Handel der Zukunft? Diskutieren Sie mit der Kommentarfunktion mit uns wie der Handel sich entwickeln wird.